Gotthold Ephraim Lessing
Sein Gedicht
Der Tanzbär
Originalzitat der Fabel
Ein Tanzbär war der Kett` entrissen,
Kam wieder in den Wald zurück,
Und tanzte seiner Schar ein Meisterstück
Auf den gewohnten Hinterfüßen.
"Seht", schrie er, "das ist Kunst; das lernt man in der Welt.
Tut es mir nach, wenn`s euch gefällt,
Und wenn ihr könnt!" - "Geh", brummt ein alter Bär,
"Dergleichen Kunst, sie sei so schwer,
Sie sei so rar sie sei,
Zeigt deinen niedern Geist und deine Sklaverei."
Ein großer Hofmann sein,
Ein Mann, dem Schmeichelei und List
Statt Witz und Tugend ist;
Der durch Kabalen steigt, des Fürsten Gunst erstiehlt,
Mit Wort und Schwur als Komplimenten spielt,
Ein solcher Mann, ein großer Hofmann sein,
Schließt das Lob oder Tadel ein?
Wann entstand die Fabel "Der Tanzbär"?
Die Fabel "Der Tanzbär" wurde etwa um 1771 von Gotthold Ephraim Lessing verfasst. Sie gehört zu seinen kritischen Werken, die gesellschaftliche Themen und menschliche Verhaltensweisen beleuchten.
Worum geht es in der Fabel?
"Der Tanzbär" erzählt von einem Bären, der nach seiner Flucht aus der Gefangenschaft zu seinen Artgenossen im Wald zurückkehrt und ihnen stolz die "Kunststücke" vorführt, die er als Tanzbär in der Gefangenschaft gelernt hat. Trotz seiner neu gewonnenen Freiheit kann er nicht von den erlernten Verhaltensweisen ablassen, die ihm einst aufgezwungen wurden.
Inhalt / Handlung der Fabel
In dieser Fabel kehrt ein Bär, der zuvor in Gefangenschaft gelebt und als Tanzbär aufgetreten ist, in die Freiheit des Waldes zurück. Dort präsentiert er seinen Artgenossen das Tanzen auf den Hinterbeinen als eine erlernte Kunst. Stolz fordert er die anderen Bären auf, ihm nachzueifern. Doch ein älterer Bär kritisiert ihn dafür und deutet das Tanzen als Zeichen von Unterwerfung und mangelnder Reflexion über seine eigene Freiheit. Die Handlung illustriert die Schwierigkeit, sich von den Fesseln der Vergangenheit zu lösen und wahrhaft frei zu sein.
Interpretation
Die Fabel "Der Tanzbär" bietet eine kritische Betrachtung der menschlichen Natur und unserer Gesellschaft. Lessing verwendet die Figur des Tanzbären, um auf die oft schmerzhafte Wahrheit hinzuweisen, dass Individuen, selbst nachdem sie sich aus unterdrückenden oder schädlichen Situationen befreit haben, dazu neigen, in gewohnte Verhaltensmuster zurückzufallen. Dies spiegelt die Herausforderungen wider, mit denen Menschen konfrontiert sind, wenn sie versuchen, sich von ihrer Vergangenheit zu lösen und authentische Freiheit zu erlangen.
Die Kritik des alten Bären hebt hervor, dass echte Freiheit mehr erfordert als nur die physische Entfernung von Ketten; sie erfordert auch eine geistige und emotionale Befreiung von den eingefleischten Gewohnheiten und Vorstellungen, die uns gefangen halten. Lessing nutzt diese Fabel, um auf subtile Weise die oft unbequeme Wahrheit zu beleuchten, dass die Freiheit, zu der wir streben, oft von unseren eigenen inneren Ketten begrenzt wird.
Reimschema und stilistische Mittel:
Die Fabel ist in Reimform geschrieben und nutzt traditionelle Versmaße, um eine tiefere Bedeutung zu vermitteln. Lessing verwendet klare, prägnante Sprache und bildhafte Vergleiche, um seine Botschaft effektiv zu kommunizieren.