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Gotthold Ephraim Lessing

Sein Gedicht

Für wen ich singe

Gotthold Ephraim Lessing - Für wen ich singe


Originalzitat des Gedichtes

Ich singe nicht für kleine Knaben,
Die voller Stolz zur Schule gehn,
Und den Ovid in Händen haben,
Den ihre Lehrer nicht verstehn.

Ich singe nicht für euch, ihr Richter,
Die ihr voll spitz′ger Gründlichkeit
Ein unerträglich Joch dem Dichter,
Und euch die Muster selber seid.

Ich singe nicht den kühnen Geistern,
Die nur Homer und Milton reizt;
Weil man den unerschöpften Meistern
Die Lorbeern nur umsonst begeizt.

Ich singe nicht, durch Stolz gedrungen,
Für dich, mein deutsches Vaterland.
Ich fürchte jene Lästerzungen,
Die dich bis an den Pol verbannt.

Ich singe nicht für fremde Reiche.
Wie käm′ mir solch ein Ehrgeiz ein?
Das sind verwegne Autorstreiche.
Ich mag nicht übersetzet sein.

Ich singe nicht für fromme Schwestern,
Die nie der Liebe Reiz gewinnt,
Die, wenn wir munter singen, lästern,
Daß wir nicht alle Schmolcken sind.

Ich singe nur für euch, ihr Brüder,
Die ihr den Wein erhebt, wie ich.
Für euch, für euch sind meine Lieder.
Singt ihr sie nach: o Glück für mich!

Ich singe nur für meine Schöne,
O muntre Phyllis, nur für dich.
Für dich, für dich sind meine Töne.
Stehn sie dir an, so küsse mich.

Bild zum Gedicht Für wen ich singe


Entstehungszeit

Das Gedicht wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts während der Epoche der Aufklärung verfasst.

Worum geht es in dem Gedicht?

Lessing setzt sich in "Für wen ich singe" mit den Zielgruppen seiner Dichtkunst auseinander, indem er verschiedene Gruppen anspricht, denen er nicht zu gefallen sucht, und schließlich jene benennt, für die seine Werke bestimmt sind.

Inhalt / Handlung des Gedichts

In Gotthold Ephraim Lessings Gedicht "Für wen ich singe" setzt sich der Dichter mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen auseinander, denen er bewusst nicht gefallen möchte. Er beginnt damit, dass er nicht für junge, arrogante Schüler singt, die klassische Texte nicht wirklich verstehen. Er lehnt auch Richter ab, die mit ihrer strengen Logik die Dichtkunst einschränken, und ebenso die elitären Geister, die nur von den alten Meistern wie Homer und Milton fasziniert sind. Lessing distanziert sich weiter von nationalen und fremden Ruhmesstreben sowie von den religiös Frommen, die die sinnliche Freude der Dichtung missbilligen. Sein Publikum sind die lebensfrohen Menschen, die Lebensfreude und Wein schätzen, sowie seine geliebte Phyllis, der er seine poetischen Worte widmet.

Interpretation

Gotthold Ephraim Lessings Gedicht "Für wen ich singe" stellt eine tiefsinnige Reflexion über die Authentizität in der Kunst und die Bedeutung der künstlerischen Freiheit dar. Indem er spezifische Gruppen als sein Publikum ausschließt, unterstreicht Lessing die Wichtigkeit, dass Kunst nicht kompromittiert werden sollte, um den Erwartungen eines nicht wertschätzenden oder unpassenden Publikums zu entsprechen. Er prangert die Oberflächlichkeit und das Unverständnis an, die oft in den kritischen Kreisen gefunden werden, und wählt stattdessen ein Publikum, das die tieferen Schichten und die ästhetische Schönheit seiner Werke wirklich schätzen kann.

Die direkte Ansprache der verschiedenen Gruppen und die klare Abgrenzung zu ihnen dient dazu, die Authentizität seiner eigenen künstlerischen Stimme zu betonen. Lessing lehnt es ab, seine Kunst zu verwässern oder zu verfälschen, um Anerkennung oder Applaus zu erhalten. Er positioniert sich als ein Dichter, der für die Wahrheit und die echte menschliche Erfahrung steht, nicht für vorgefertigte Erwartungen oder gesellschaftlichen Prestige.

Das Gedicht wird somit zu einem Manifest für künstlerische Integrität und eine klare Absage an jegliche Form der Zensur oder Einschränkung durch die Gesellschaft. Lessing verkörpert den idealen Künstler der Aufklärung, der seine Intellektualität und sein emotionales Erleben nicht dem Diktat anderer unterordnet, sondern vielmehr die persönliche Freiheit und die direkte Verbindung zum Publikum sucht, das seine künstlerischen Ambitionen und seine Vision teilt.

Insgesamt ist "Für wen ich singe" eine kraftvolle Verteidigung der Freiheit des Künstlers, sich gegen konventionelle Erwartungen zu behaupten und für ein Publikum zu schaffen, das die Essenz seiner Arbeit wirklich versteht und wertschätzt.

Reimschema und stilistische Mittel:

Das Gedicht nutzt klassische Versmaße und ein klares Reimschema, um eine strukturierte und rhythmische Darstellung seiner Botschaft zu ermöglichen.

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